Was ich unter Geistigem Heilen verstehe
Ein Sufi-Mystiker äußerte einmal, dass eine Krankheit zu heilen nur ein kleiner Teil der gesamten Heilung be-deute, eine Bewegung oder ein Übergang zu dem, was die Einheit des Seins genannt wird.
Ich meine, diese Gesamtsicht sollte ein(e) Heiler(in) nie aus den Augen verlieren. Allzu schnell gibt man sich zu-frieden mit einer momen-tanen körperlichen Heilung. Die Freude darüber ist natürlich sehr verständlich. Neben dem Erfolg wird aber leicht vergessen, dass es noch um etwas Umfassen-deres, Fundamentales geht, nämlich um die Energie, die dem ganzen Heilgeschehen und allem Geschehen über-haupt, zugrunde liegt.
Was ist das für eine Kraft, die immer überall wirkt - unab-hängig von den Ergebnissen? Wir geben ihr verschiedene Namen wie Gott, Wahres Selbst, Ursprüngliche Natur usw. Wie kommen und vor allem bleiben wir im Kontakt mit dieser göttlichen Energie?
Ein(e) Heiler(in) vermag sich für diese Energie in der Weise zu öffnen, dass sie heilend auf die Klienten wirkt bzw. deren eigene Heil-energie angeregt wird.
Doch sowohl Heiler als auch Klient geben sich oft mit dieser Wirkung zufrieden, ohne den Weg zur Quelle weiter zu verfolgen, um schließlich eins damit zu werden.
Der Sinn von Geistigem Heilen bedeutet für mich: Bewusst wahrnehmen, dass bei einer Heilbehandlung und überhaupt im Leben nur die göttliche Kraft wirkt, am Anfang, in der Mitte, am Ende, immer, und zwar durch uns und durch alles.
Diese Arbeit in jeder Be-handlung oder Sitzung zu vollziehen, bedarf der Kon-zentration auf das Erspüren eines weiten 'Raumes', in dem Klient und Heiler in ihrer wahren Natur eins sind. Die Trennung erscheint nur auf Grund der vergänglichen Formen und Sinne, beson-ders der Gedanken. In die-sem ungetrennten, lieben-den und unvergänglichen 'Raum' jedoch wird auch Krankheit als illusionäre, das heißt selbst kreierte tren-nende Erscheinung begriffen und dadurch langsam oder auch schnell vertrauensvoll losgelassen.
So kann grundlegende, echte Heilung geschehen, die meistens jedoch von häufiger Wahrnehmungspraxis ab-hängig ist, auch im Alltag.
Die Übung des Loslassens der Trennung bzw. des An-nehmens des Grenzenlosen kann schließlich jeden Men-schen heilen, das heißt von der Anhaftung an Dingen, Personen, Situationen, Krankheiten befreien. Das bedeutet für mich wahres Heilsein. Diese Wahrneh-mungsschulung kann auch Klienten vermittelt werden.
Die mystischen Traditionen aller Religionen beschreiben diese Übung des Erinnern Gottes bzw. der Wahrneh-mung des Wahren Wesens, um heil oder eins zu werden.
Im Buddhismus gilt als der höchste Arzt der Buddha. Die Menschen sollen sich an ihn als Heiler und an seine Lehre als Heilmittel halten. Ein hinduistischer Yogi bezeich-nete die Weisheit als die beste Heilquelle. Die Kraft der Einbildung sei so groß, dass sie sowohl Gesundheit als auch Krankheit hervor-rufen könne. Man solle nicht an die Wirklichkeit einer Krankheit glauben. Jesus heilte nie losgelöst von Gott. Das Heilen geschah nicht als Selbstzweck, sondern ver-bunden mit und als Ausdruck der göttlichen Liebe. In erster Linie wollte Jesus Christus die Menschen mit Gott vereinen und das Heilen wie auch seine Reden dienten ihm dazu.
Dieser Artikel ist in DGH-Info 4/2002 erschienen